Zivilcourage Miesbach in Mals – Exkursion vom 11. – 13. Mai 2018

8 Mitglieder der Zivilcourage Miesbach reisten in der 2. Maiwoche nach Mals im Obervintschgau, das auf dem Weg zur pestizidfreien Gemeinde ist. Zweck des Besuchs war, uns zu informieren, aber auch wichtige Akteure in Mals zu unterstützen und zu stärken.

Die Anreise erfolgte per Bus zusammen mit einer Gruppe aus dem Raum Rosenheim und dem Chiemgau unter Führung von Christoph Fischer. Auch das Programm des ersten Tages wurde gemeinsam gestaltet. Unsere Gruppe logierte im freundlichen Familienhotel Greif in der Altstadt.

1.Tag – Informationen des Bürgermeisters und Besichtigung der Biokäserei

Aufgrund der großen Teilnehmerzahl wurden zwei Besuchergruppen gebildet, die sich beim Termin mit dem Bürgermeister und dem Besuch der Biokäserei abwechselten.

Statt einer Präsentation im Rathaus schlug Bürgermeister Ulrich Veith (SVP) eine Ortswanderung vor, die angesichts des schönen Wetters auf Zustimmung stieß.

Dr. Johannes Fragner- Unterperttinger, der Apotheker der Malser Gerichtsapotheke und Autor des Info-Portals `Der Malser Weg` wies eingangs auf einige bemerkenswerte Elemente in Mals (z.B. Pala-Birne vor dem Rathaus) und berichtete über die im Obervintschgau geplante Regionalwährung mit Silbermünzen. Er zitierte aus seinem kleinen Vintschgauführer ( `Wenn du, Vintschger, nie die Flammen gespürt hast,..`) und übergab die Grundsätze auf dem Weg zu einer pestizidfreien Gemeinde.

Bürgermeister Ulrich Veith ging auf die Historie des Malser Wegs ein. Ein Bürgerreferendum brachte 2014 76 % Zustimmung für die Entscheidung zu einer pestizidfreien Gemeinde. Bei zwei Abstimmungen im Gemeinderat fand sich für gemeindliche Maßnahmen keine Mehrheit. Erst die turnusmäßigen Neuwahlen änderten dies und es wurde im März 2015 eine Durchführungsverordnung mit einer zweijährigen Übergangszeit erlassen, die künftig die Verwendung von Pestiziden im Gemeindegebiet stark beschränkt(einstweiliger Rechtsschutz). Über einen Antrag auf Aussetzung wird in Kürze ein Gericht entscheiden.

Über einen aufgelassenen Waalweg (künstlicher Bewässerungskanal) gingen wir oberhalb des Biohotels Panorama bis zum Aussichtspunkt Tartscher Bichl, der unter Natur- und Denkmalschutz steht. Von hier hat man einen guten Überblick auf die insgesamt 10 Ortsteile (Fraktionen) von Mals und die Topografie.

Auf dem Tartscher Dorfplatz erzählte der Bürgermeister noch einiges über Ort und Politik. Vereine und Organisationen werden etwa nur gefördert, wenn sie nachhaltig handeln. Hoch im Kurs steht die Nutzung von Wasser und Sonne als erneuerbare Energiequellen. Mit Überschüssen aus der Stromerzeugung aus Wasserkraft wird ein Citybussystem unterstützt, das stündlich die einzelnen Ortsteile anfährt. Eine Hackschnitzelanlage trägt zur CO2-armen Wärmeversorgung bei. Aktiv ist die Gemeinde bei der regionalen Entwicklung. Über das Projekt `Green Events` können Preise an Teilnehmer vergeben werden.

Mit dem Bus fuhren wir zur Landwirtschaft und Biokäserei von Alexander Agethle, der uns seinen Betrieb (seit 200 Jahren im Familienbesitz) mit seinen 12 Michkühen erläuterte, den er von seinem Vater übernommen hat. Er hat in Florenz Landwirtschaft studiert und zunächst konventionell gearbeitet. Sowohl die vorhandenen Kühe als auch die später in der Schweiz gekauften, waren für seine Art der Haltung untauglich bzw. nur bedingt tauglich. Die Anpassung dauert lang. Jetzt ist er wieder bei einer Michleistung von 5000 Liter/Jahr angelangt von anfangs bis zu 10000/Liter/Jahr.

Alexander gesteht freimütig, dass er auch ` Auszeiten` braucht. So verbringen die Kühe den Sommer auf der Alm, die von Saisonkräften betreut wird. Er beteiligt sich auch an dem interessanten Projekt, bei dem einige Rinder in den Herbst- und Wintermonaten in einem Bio-Weingut verbringen, wo sie im Weinberg Futter finden und ihrerseits für die Düngung des Bodens sorgen.

Auch wenn der Michpreis in Südtirol relativ hoch ist, bei Bio zwischen 70 und 90 Cent/Liter – kann Alexander wirtschaftlich nur in Verbindung mit der Käserei arbeiten, die auch Milch eines anderen Biobetriebs verwendet. Daraus werden drei Käsesorten hergestellt, die wir bei einer Brotzeit testen konnten.Während des Abendessens im Hotel Greif gesellt sich Armin Bernhard zu uns, der als Sozialwissenschaftler in Brixen arbeitet und Vorstandsvorsitzender der Bürgergenossenschaft ist. Annelies Blümel, Sprecherin der ZC für die Verbraucherseite, ging kurz auf die Funktion der Zivilcourage Miesbach ein und ihre Rolle beim Thema `glyphosatfreier Landkreis Miesbach`. Armin erläuterte uns Gemeindestrukturen, verschiedene Netzwerke und die Funktion der Bürgergenossenschaft Obervintschgau, die vor allem dafür sorgen soll, dass die gemeindlichen Entscheidungen zur Pestizidfreiheit auch umgesetzt werden können. Ein Lenkungsgremium für die Arbeit der Netzwerke gibt es nicht, aber doch regelmäßige Kontakte. Armin zeigte sich überzeugt, dass bei den Malsern, aber auch bei vielen Menschen außerhalb ein Umdenken in Richtung gesunde Lebensmittel und nachhaltiges Wirtschaften bereits statt findet.

2. Tag – Wanderung und Bio-Obstanbau

Nach dem Frühstück brechen wir mit Robert Sagmeister, unserem Hotelier, zu einer Wanderung auf, die uns innerhalb von 4 Stunden über einen Waalweg und an Berghängen entlang hoch über Mals bis hinunter nach Schluderns führte.

Der ehemalige Gemeinderat ist über alles, was die Gemeinde betrifft, bestens informiert.

Ausgrabungen aus der Bronzezeit, das Bewässerungssystem, das System der Gemeinschaftsrechte aller Bürger (z.B. für Wasser- und Jagd) oder die Zuteilung von Beweidungsflächen – Herr Sagmeister bleibt keine Antwort schuldig. Auch `für den Begriff `Wasserwossr` (= das für die Bewässerung verwendete Wasser) hatte er die Erklärung parat.

Bei der Rast am sog. Ganglegg kredenzte uns unser Wanderführer eine schmackhafte Brotzeit mit Wein, Brot Tomaten, Käse und einen Obstler gibt` s schon als Aperitif. Nebenbei erklärte er noch geschichtliche und politische Zusammenhänge in Südtirol, Europa, der ganzen Welt.

In Schluderns ist ein kleiner Markt und wir trafen Armin Bernhard und seine Frau und Tochter und werden von Frau Sagmeister mit dem Kleinbus nach Glurns gefahren.

Etwas verspätet treffen wir uns mit Ägidius Wellenzohn vor der Stadtmauer von Glurns, einem kleinen Städtchen mit mittelalterlichem Gepräge (Stadtmauer, 3 Stadttore, Laubengassen). Es hatte eine bedeutende Funktion für den Salzhandel. In den Räumen hinter den Lauben wurde das Salz eingelagert. Das Haus von Ägidius liegt nahe der 11 Meter hohen Stadtmauer. Daneben steht eine alte Mühle und sein Pala-Birnbaum. Den Hof hat er von seinen Eltern übernommen.

Der studierte Landwirt wirtschaftete längere Zeit nach dem biologisch-dynamischen System nach Rudolf Steiner, löste sich aber im Lauf der Zeit von diesem Konzept bzw. entwickelte diese Anbauform weiter. Ihn interessieren weniger die Nährstoffe als vielmehr die Entwicklungs- und Wachstumsprozesse. Ägidius ist überzeugt, dass auch das Bewusstsein des Menschen im Landbau, v.a. bei Kräutern, Gemüse und Obst, eine große Rolle spielen.

In einem ca. 2000 m2 großen Naturgarten herrscht große Vielfalt an Blumen, Gemüse und Obstbäumen vor, seine ` `Eingriffe beschränkt er auf das Nötigste. Auch die Brennessel (Zeigerpflanze für guten, stickstoffreichen Boden) nimmt einen wichtigen Platz ein. Ägidius zeigt, wie man Brennesseln anfaßt und ißt, ohne sich zu „verbrennen“. Zum Abschluss kredenzt Ägidius köstlichen Apfelsaft von verschiedenen Sorten.

In seiner kleinen Apfelanlage (Niederstamm) verzichtet er natürlich auf Spritzungen. Das Gras bleibt zwischen den Reihen stehen bis zum Juni. Es verhindert ein Austrockner des Bodens und es können sich Nützlinge ansiedeln bzw. aufhalten im Gegensatz zu den meist total ausgeräumten Fahrgassen üblicher Apfelplantagen.

Allein kann er vom Obstanbau nicht leben, doch trägt auch seine Frau, die Lehrerin ist, zum ausreichenden Familieneinkommen bei.

Ägidius hält Vorträge über seine Wirtschaftsweise. Den Obstanbau ohne Gift hat er auch uns sehr überzeugend nahe gebracht.

Ein Teil unserer Gruppe probiert im Teehaus an der Laubengasse Tees aus, z.B. aus Stilfser Bergkräutern) Caffe und Eis und dann fahren wir mit dem Citybus nach Mals zurück.

Beim Abendessen ließen wir den Tag in gemütlicher Runde ausklingen.

3 . Tag – Besuch im Bio-Garten

Am Sonntagmorgen – das Gepäck wird vom Hotel zum Bus gebracht- wanderten wir in einer guten Stunde von Mals nach Burgeis zum Biogarten der Eheleute Bernhard.

Edith und Robert Bernhard: Zwei außergewöhnliche Menschen. Ihr Biogarten – Kräuter, Gemüse und alte Obstsorten- ist ein kleines Paradies, einen Steinwurf neben der imposanten Burg Fürstenburg. Sie kommen nahezu ohne Dünger und natürlich ohne Gifte aus. Entscheidende Elemente ihrer Wirtschaftsweise sind:

  • Stärkung der Böden durch richtiges Mulchen (kein Umbruch!) zum Schutz vor Sonneneinstrahlung, Unkräutern und Schädlingen,
  • wichtig sind Mikroorganismen und Würmer,
  • der Boden darf nicht austrockenen- der Bewässerungsbedarf hält sich sehr in Grenzen,
  • Normaler Mist ist kontraproduktiv,
  • Bisher ist kaum erforscht, welche Beikräuter Nutzpflanzen gut tun und welche nicht,
  • Die Pflanzen erhalten bei Bedarf Gaben von Brennesseljauche.

Robert verblüffte uns auch mit seinen Gartenwerkzeugen aus Kupfer!: Sauzahn und Rechen. Eisen erzeugt Funken, die den Mikroorganismen schaden.

Im letzten Herbst hat Edith 134 verschiedene Getreidesorten im Ökologischen Bildungszentrum in München präsentiert. Darüber ist ein wunderbares Buch entstanden.

Kürzlich waren zwei junge Leute zu Besuch, die ähnlich wie die Bernhards denken und etwas wie sie in der Nähe aufziehen wollen.

Nach einer herzlichen Verabschiedung gehen wir zur Pizzeria Pila, wo wir gemeinsam mit der anderen Gruppe zu Mittag aßen.

Reich an Eindrücken und Informationen traten wir die Heimreise an und tauschten uns mit Teilnehmern der anderen Gruppe aus. Wir trafen in Mals und Glurns auf herzliche und sehr engagierte Menschen.

Es ist zu wünschen, dass eine dauerhafte Verbindung zu Mals entsteht.

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